Der Text ist geeignet, sich ein Urteil über den in der Geschichtsforschung umstrittenen deutschen Kanzler zu bilden. Aus ihm ergeben sich Erkenntnisse darüber, warum die Kehrtwende der deutschen Reichsregierung in der Kriegszielpolitik nicht gelang.
Der Text zeigt die Wandlung des deutschen Kanzlers, als es im Ersten Weltkrieg nicht mehr weiter ging. Der Deutsche Reichskanzler, der den Krieg mit verursacht hatte und die Ziele der Kriegszielmehrheit des Reichstages lange vertreten hatte, zeigte sich als einer der deutschen Politiker, der eine Wende vollzog.

Aber er kam nicht umhin, den Kaiser zu glorifizieren, die Kriegsschuldfrage aufzugreifen, sonst hätten ihn die Parteien keine Möglichkeit gegeben, diese Rede überhaupt zu halten. Die Parteien hätten ihn hinweggefegt.

Das Dokument zeigt Kanzler Bethmann Hollweg als einen nachdenklichen, verantwortungsbewußten Staatsmann. Deutschland sollte die in Verbänden und der Reichstagsmehrheit propagierten Kriegsziele größtenteils nicht verwirklichen, um, wie Außenstaatssekretär Jagow es sagte, "mit einem blauen Auge davonzukommen". Während Forscher wie Fritz Fischer den Kanzler als Vollstrecker deutscher Weltmachtpolitik sehen wollten, stellten Historiker wie Gerhard Ritter, Günter Wollstein und Wolfgang Mommsen trotz aller Fehler, die er machte, seine ethisch fundierte Verantwortung für einen Ausgleich aller innen- und außenpolischer Konflikte zum Wohl der ganzen Nation heraus.

Verdeutlicht wird aber auch Bethmann Hollwegs fatale Schwäche ewigen Schwankens, weil er immer wieder dem Einfluß der Gesellschaftsschicht, der er sich zugehörig fühlte, dem Adel und dem Großbürgertum, unterlag. Mit rhetorischem Geschick wollte er Abgeordnete aus dem konservativen Lager und des Zentrums für eine Kehrtwende gewinnen, statt auf Konfrontationskurs zu gehen……
Der liberale Unterhausabgeordnete Philip Snowden schlug im "Labour Leader" vor, sich doch erst einmal die deutschen Vorschläge anzuhören. Er nannte die Politiker und Militaristen der Länder, die den Krieg fortsetzen wollten, "vom Wahnsinn befallene Spieler". "Europe is not governed by reason!" Die Kriegsfurien wüteten weiter, die "Staatskunst" des deutschen Kanzlers unterlag.

Der Text entstand für www.1000dokumente.de zur Rede Bethmann Hollwegs vom 20. Dezember 1916